Die Leute von der Sraße kommen in unser Obdachlosentreff zum Duschen und Essen. Saubere Kleidung und ein Haarschnitt werden dankbar angenommen. Oft begegnet Gott den Bedürftigen auf besondere Weise und zeigt damit uns allen mehr von seinem Wesen. In anderen Situationen sind wir mit Nöten konfrontiert, für die wir menschlich keine Antwort haben. Dann ist es gut zu wissen, dass Gott auch hier derselbe ist, treu, liebend und voller Kraft!

Hoehen Tiefen 03

Gott spricht mit mir

Neulich wollte einer unserer Gäste im Obdachlosentreff mir etwas Wichtiges erzählen. Er suchte uns eine ruhige Ecke, um sicherzustellen, dass ich ihm angemessen konzentriert zuhören konnte:
»Als ich mich entschieden hab, Jesus zu folgen, hast du mir gesagt: ›Jesus wird mit dir reden. Du kannst seine Stimme hören.‹ Und das wollte ich auch. Aber das ist ganz lange nicht passiert. Gestern war ich zu Hause beim Abwaschen.« Oh, dachte ich, er hat einen Ort zum Wohnen, wo er sogar kochen kann! Super! »Plötzlich hab ich ein helles Licht gesehen, das auf mich zukam. Und dann sagte eine Stimme zwei Sachen: ›Früher hast du auf andere Leute gehört. Ab jetzt wirst du auf mich hören.‹ Ich weiss, das war Jesus!«
Der alte Mann strahlte mich voller Freude und Staunen an, noch ganz überwältigt von der Tatsache, dass der lebendige Gott mit ihm gesprochen hatte. Falls ich Zweifel an der Geschichte gehabt hätte, wären sie von diesem Gesichtsausdruck weggewischt worden. Gemeinsam lasen wir einige Schriftstellen, die bestätigten, dass Gottes Herz mit seiner Offenbarung übereinstimmte. Aber es war gar nicht der Inhalt der Vision, der ihn beschäftigte. Die Begegnung selbst beeindruckte ihn viel mehr: »Gott sieht mich! Er redet mit mir!« wiederholte er immer wieder ... Was für einem liebenden Gott dürfen wir dienen!

Hoehen Tiefen 04

Umgehauen

Ich hing noch dieser Begegnung nach, als eine Stunde später alle Gäste gegangen waren und wir den Raum saubermachten. Einer kam zurückgerannt: »Ein Unfall! Schnell, kommt helfen!« Ich wappnete mich für Furchtbares, aber als ich ganz in der Nähe den Mann sah – ebenfalls ein Gast von uns – stand er schon wieder aufrecht an ein Geländer gelehnt, sehr bleich im Gesicht. »Was ist passiert?« Er war von einem Fahrrad umgeworfen worden, gleich wieder aufgestanden und hatte den Unfallfahrer weggeschickt, weil ihm anscheinend nichts fehlte. Nach ein paar Minuten wich der Schock und starker Schmerz durchzog seine Hüfte: Er konnte nicht auftreten. Sein Freund und ich brachten ihn ins Krankenhaus.

Hoehen Tiefen 05

Die einzige Hoffnung

»Komplizierter Bruch des Hüftgelenkes. Das muss wohl durch ein künstliches ersetzt werden.« Vom Röntgenbild sah der Arzt auf die gelbe Gesichtshaut des Patienten. »Sie müssen aber erstmal auf andere Krankheiten untersucht werden. Das könnte Hepatitis sein.« Ein paar Fragen und es war klar, dass der Verletzte keine Versicherung oder andere Einkünfte hatte. »Nur die OP kostet schon mindestens 80.000 RMB (ca. € 10.000).« Der herbeigerufene Polizist machte uns keine Hoffnung, den Fahrradfahrer finden zu können. Alleingelassen in der hektischen Notaufnahme beteten wir. Ich konnte nichts anderes für ihn tun. Die nötige Hilfe war jenseits meiner Möglichkeiten. Freundlicherweise wurde dem Mann erlaubt, diese Nacht auf der Trage liegen zu bleiben. So ließ ich ihn mit seinem Freund dort zurück. Auf dem Weg nach Hause hatte ich ein schweres Herz. Dann erinnerte Gott mich daran, dass er derselbe ist für diesen Mann wie für den anderen, der seine Stimme gehört hatte. »Ich überlasse ihn dir!« betete ich – und warf meine Hoffnung auf den Gott der Liebe.
     
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